Katana, Wakizashi, Tanto: Das Geheimnis der japanischen Schmiedekunst (2024)

Tamahagane ist ein Stoff, aus dem Legenden geschmiedet sind. Eigentlich ist es nur Stahl, der aus Eisensand gewonnen wird. Doch tatsächlich steckt in ihm das Geheimnis des traditionellen japanischen Schmiedehandwerks. Es beginnt an einem glühend heißen Schmelzofen, der Tatara. Unmengen an Holzkohle werden darin verfeuert, bis eine Temperatur von 1.500 Grad erreicht ist.

Dann kommt spezieller Eisensand dazu. Er verbindet sich mit der Kohle. Dabei entsteht Tamahagane – ein roher Stahl, reich an Kohlenstoff und arm an unerwünschtem Schwefel und Phosphor. Noch ähnelt das Metall eher einem schroffen Lavastein als einem kostbaren Schwertstahl. Außerdem enthält es unerwünschte Schlacken und Einschlüsse. Der Kohlenstoff ist ungleich darin verteilt. Eine Klinge ließe sich daraus noch nicht schmieden.

Der Schmiedemeister muss den rohen Stahl deshalb von allen Unreinheiten befreien und den Kohlenstoffgehalt optimieren. Es ist eine überaus aufwändige Prozedur, die mehrere Wochen dauern kann. Zunächst werden die Tamahagane-Brocken im Holzkohleofen zum Glühen gebracht. Dann hämmert der Schmied sie zu kleinen Plättchen.

Unscheinbare Kostbarkeit: Tamahagane-Brocken

Foto von "Loulasedna - Eigenes Werk, CC BY 3.0

Klinge aus über 30.000 Schichten

Beim Feuerschweißen werden sie durch unzählige Hammerschläge miteinander verbunden. Es entsteht ein Barren, der plattgeschmiedet und dann gefaltet wird. Wieder und wieder. Mit jedem Falten verdoppelt sich die Zahl der miteinander verschweißten Metallschichten. Ein sechs Mal gefalteter Barren hat also bereits 64 Lagen, ein 15-fach gefalteter Barren besteht aus 32.7688 hauchdünnen Schichten.

Die weit verbreitete Vorstellung, eine hochwertige japanische Klinge werde tausende Male gefaltet, entspringt also einem Missverständnis. Es ist die Anzahl der Schichten, die durch den Faltvorgang exponentiell in die Höhe schnellt. Bis zu 20-mal wiederholt sich der Arbeitsschritt – so lange, bis ein komplett gleichmäßiger Barren in der gewünschte Stahlqualität entstanden ist.

Damit die Klinge später rasiermesserscharf und trotzdem flexibel bleibt, kombinieren die Schmiedemeister unterschiedliche Tamahagane-Qualitäten. Zum Beispiel, indem sie einen härteren Mantel um einen weicheren Kern schweißen. Andernfalls könnte die Klinge bei starker Belastung brechen.

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    Eine ähnliche Technik des Faltens und Verschweißens verschiedener Stahlsorten verwendeten bereits die alten Römer, Kelten und Germanen vor über 2.000 Jahren in Europa. Heute ist ein solcher Schweißverbundstahl aus mehreren sich abwechselnden Lagen als Damaszenerstahl bekannt.

    Nach der hom*ogenisierung des Stahls treibt der Schmiedemeister den Stahlblock in akribischer Handarbeit zur Klinge aus. Anschließend wird sie gehärtet, indem sie auf 800 Grad erhitzt und danach im Wasserbad abgekühlt wird. Bei dieser Prozedur entsteht auch die finale Klingenform.

    Nachdem der Schmied seine Arbeit verrichtet hat, übergibt er sein Werk dem Schleifer und Polierer. Weit mehr als 100 Arbeitsstunden sind nötig, um eine Klinge perfekt zu schärfen und auf Hochglanz zu bringen. Andere Fachleute widmen sich Griff, Scheide, Beschlägen und der Gravur. Alles in allem dauert es Monate bis zur Vollendung einer Waffe, die zugleich ein Kunstwerk ist – und Zeugnis einer uralten Tradition.

    Samurai in voller Rüstung (1860)

    Foto von Gemeinfrei

    Katana: Das legendäre Langschwert der Samurai

    Beispielhaft dafür steht das Katana, das traditionelle japanische Langschwert. Es entstand im Laufe des 14. Jahrhunderts aus dem etwas längeren Tachi. Dieses war wegen seiner höheren Reichweite die bevorzugte Hiebwaffe der berittenen Samurai. Am Boden bevorzugten die Krieger im Nahkampf das Katana. Seine 60 und 70 Zentimeter lange Klinge ist gekrümmt und nur einseitig geschliffen.

    Auf den ersten Blick erinnert es eher an einen Säbel als an ein Schwert. Das Katana wird allerdings meist zweihändig geführt, der Säbel einhändig. Der Griff eines Katanas ist unterschiedlich lang und traditionell mit Rochen- oder Haihaut umwickelt. Aufwändige Gravuren zieren das ein bis anderthalb Kilo schwere Kampfgerät. Nur Samurai waren im feudalen Japan dazu berechtigt, es zu tragen.

    Die Fechttechnik der Samurai

    Daneben besaßen die Samurai auch ein kürzeres Schwert, das Wakizashi. Es ähnelt dem Katana, ist aber nur 30 bis 60 Zentimeter lang. Die Kombination aus Katana und Kurzschwert wurde zum Symbol der Samurai. Die stolzen Krieger führten ihr Schwertpaar, das Daisho, ständig mit sich. Dazu wurden beide Schwerter gemeinsam mit der Schneide nach oben durch den Gürtel gesteckt. In Gebäuden legten die Samurai das längere Schwert meist ab und behielten nur das Wakizashi am Körper. Das Katana blieb aber stets in Sichtweite.

    Die gebogene Form beider Schwerter erforderte eine besondere Fechttechnik mit schneidenden, gleitenden und ziehenden Bewegungen. Nur so konnte der Samurai einen sauberen Schnitt setzen. Beim eigentlichen Hieb machte der Kämpfer sich das hohe Eigengewicht der Waffe zunutze. Seine Hände sollten das Schwert eigentlich nur in die richtige Bahn lenken. Präzision und Schnelligkeit dominierten über Kraft und Ausdauer.

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    Zehntausende Euro für ein japanisches Schwert

    Eine weitere typische Nahkampfwaffe der Samurai war das Tanto, ein einschneidiges Messer mit gerader oder leicht gebogener Klinge von maximal 30 Zentimetern Länge. Wakizashi und Tanto kamen nicht nur im Kampf zum Einsatz. Sie spielten auch eine entscheidende Rolle beim Seppuku, einem Selbsttötungsritual, bei dem ein Samurai sich eigenhändig den Bauch aufschlitzte.

    Katana, Wakizashi, Tanto: Heute werden sie meist als Kunstobjekte in Massenproduktion aus Industriestahl hergestellt. Einige traditionellen Betriebe fertigen sie indes immer noch auf die ursprüngliche Weise. Das beginnt mit der Gewinnung des kostbaren Tamahagane-Stahls und endet mit detailversessenen Gravuren in Handarbeit. Dafür braucht es unzählige Arbeitsschritte und hochspezialisierte Fachleute.

    All das erklärt auch den hohen Preis, den man für ein handgefertigtes Schwert oder Messer hinblättern muss. Mehrere zehntausend Euro sind keine Seltenheit. Auch deshalb wird das traditionelle japanische Schmiedehandwerk oft als Geheimwissenschaft verklärt, die nur einem eingeweihten Zirkel zugänglich sei. Filme, Büche und Comics über die sagenumwobenen Samurai haben ebenfalls viel zur Legendenbildung beigetragen.

    Tatsächlich arbeiten die Schwertmacher gern allein oder in kleinen Teams. Dies tun sie aber vor allem deshalb, weil ihr Handwerk höchste Konzentration erfordert. Schon ein winziger Fehler kann die oft monatelangen Vorarbeiten zunichtemachen. „Denke scharf nach und entscheide innerhalb von sieben Atemzügen“, lautet eine alte Weisheit der Samurai.

    Wenn ihr noch tiefer in die Welt der Samurai eintauchen wollt, könnt ihr ab sofort die neue Serie „Shogun“ exklusiv aufDisney+ streamen.

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